Sonntag der Weltmission
«Geht hin zu allen Völkern, tauft sie und lehrt sie» (Mt 28,19) heisst es am Ende des Matthäus-Evangeliums. Dieser sogenannte «Missionsbefehl» war über Jahrhunderte die Rechtfertigung, andere Menschen als «Heiden» zu bezeichnen und sie (zwangsweise) zu taufen. Diese Haltung ist spätestens seit der Erklärung «Nostra Aetate» des 2. Vatikanischen Konzils 1965 überholt.
Postkoloniale Bibelauslegung
Seit den 1980er Jahren im angelsächsischen Raum und inzwischen auch bei uns versuchen die postkolonialen Interpretationen biblischer Texte die Fehler, die durch zu enge und herrschaftliche Auslegung der Bibel entstanden sind, zu korrigieren und neue Perspektiven zu öffnen.
Was bedeutet «Taufen»?
Kern des «Missionsbefehls» bei Matthäus ist der Auftrag zu taufen und zu lehren. Paulus entwickelt in seinem Brief an die Gemeinden in Galatien eine Lehre, was Taufen bedeutet: «Ihr alle seid eins in Christus Jesus» (Gal 3,28). Durch die Taufe werden die Unterschiede zwischen Juden und Griechen,
Sklaven und Freien, männlich und weiblich aufgehoben. Die Begründung für diese Gleichheit lautet: «Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen» (Gal 3,27). Ein Satz, der bis heute in der Taufliturgie den Täuflingen zugesprochen wird
Die katholische Kirche missionieren
Noch immer gilt in der katholischen Kirche das den männlichen Menschen vorbehaltene Priestergewand mehr als der von den Getauften angezogene Christus. So lässt sich der «Missionsbefehl» von Jesus als Auftrag verstehen, die katholische Kirche zu missionieren, damit auch in ihr die Lehre der einen Taufe, die alle Unterschiede zwischen Sklaven und Freien, männlich und weiblich, Ungeweihten und Geweihten aufhebt, beginnt Realität zu werden.
Winfried Bader
Zentralsekretär Schweizerisches Katholisches Bibelwerk
Eine Veranstaltung zum Thema «Die Taufe in neutestamentlichen Texten» findet unter dem Titel «Akademietag bibelwerken» am Montag, 24.10.22 in Zürich statt.
Detailinformationen unter: bibelwerk.ch
oder paulusakademie.ch