Sakrale Lichtatmosphären: Dämmerungszyklus in der Hofkirche
Bis zur Erfindung der Glühbirne waren Kirchen praktisch unbeleuchtet. Nur bedeutende Kirchen wurden an Hochfesten mit kerzenbestückten Leuchtern erhellt. Der Tag-Nacht-Rhythmus strukturierte das weltliche und religiöse Leben. Das Eindunkeln beendete das Tagwerk und schuf Raum für Gebet und Besinnung – und die Dämonen. Heute wird die Dämmerung oft durch künstliches Licht überlagert. Dies führt zu einer Trennung von den natürlichen Zyklen, die für den Körper taktgebend und den Geist sinnstiftend sind.
Die Veranstaltung «Sakrale Lichtatmosphären» macht es möglich, den natürlichen Tag-Nacht-Zyklus in den Kirchen zu erleben. Im Jahr 2023 in den folgenden Kirchen in der Stadt Luzern:
- Franziskanerkirche: FR, 20. Oktober, 18.00–19.30, Türöffnung: 17.45
- Hofkirche: SA, 21. Oktober 2023, 18.30–20.00 (Vorabend-Gottesdienst bis 18.20)
- Piuskirche, Meggen; SO, 22. Oktober, 6.00
- Pauluskirche: SO, 22. Oktober, 18.00–19.30, Türöffnung: 17.45
Alle Kirchen zeichnen sich durch einen hohen Schauwert und unterschiedliche Architekturstile und Lichtkonzepte aus. Das macht den Besuch mehrerer Kirchen spannend und abwechslungsreich. Nach dem Prolog von Projektleiter Peter Diem können die Kirchenräume selbstständig erkundet werden. In der Franziskanerkirche versammeln sich für die letzte halbe Stunde alle im Chorraum, dem mystischen Zentrum der Kirche. Die sonntägliche Morgendämmerung in der Piuskirche ist bereits Lichtkult. Die transluzenten Marmorwände selbst sind Licht und werden von der aufgehenden Sonne vollends zum Leuchten gebracht. In der Obhut des mächtigen Kronleuchters und flankiert vom Farbenmosaik der Kirchenfenster flaniert man in der Pauluskirche durch die Jugendstil-Landschaft.
Premiere in der Hofkirche
Am Samstagabend ist in der Hofkirche eine Premiere zu sehen. Zuerst ist man beim stillen Verweilen dem vergehenden Licht der natürlichen Abenddämmerung überlassen. Dem Kirchenraum kommen fortschreitend Kontur, Farbe und Glanz abhanden. Aus den diffusen Grautönen tauchen mehr und mehr eigene Bilder auf. Nach einer kurzen Phase der Finsternis wird mit dem künstlichen LED-Licht das werdende Licht der Morgendämmerung inszeniert. Anfangs werden mit subtilen Lichtinterventionen einzelne Positionen akzentuiert. Dann wird der Chor von innen heraus langsam ins Licht gerückt, die Raumtiefe nimmt deutlich zu. Immer mehr Licht fliesst von der Decke ins Kirchenschiff, bis die Hofkirche in vollkommener Klarheit erstrahlt. Ein kompletter Dämmerungszyklus ist vollendet.
Technisch wird mit Lumen das gesendete Licht und mit Lux das empfangene Licht gemessen. Die religiöse Botschaft «Gott ist Licht» meint dasselbe: Gott sendet Licht, der Mensch empfängt das göttliche Licht. In der prachtvoll ausgestatteten Hofkirche trifft das Licht auf Materie in ihrer schönsten Ausprägung. Der heilige Widerschein ist das Resultat eines multimedialen Gesamtkunstwerks. «Sakrale Lichtatmosphären» ist auch eine Hommage an den Innovationsgeist der Baumeister und die Meisterschaft der Kunsthandwerker und alle, die heute das sakrale Kulturgut pflegen und weiterentwickeln. Zum Beispiel die Lichtdesignerin Liz Hurni, welche das 2018 installierte LED-Licht gestaltet hat und es an diesem Abend steuern wird.
Das Lichtspektrum des natürlichen und künstlichen Dämmerlichts schafft einen Projektionsraum für theologische, philosophische, physikalische, optische und phänomenologische Interpretationen. Der langsame Prozess des Eindunkelns und Hellwerdens, des Sehens und Unsehens fordert die Augen und inspiriert den Geist. Der heilige Raum weitet sich zu einem Open Space für die Erforschung des Lichts und die Erfahrung von Transzendenz.
Weitere Informationen