Peterskapelle als «Herberge» für viele
Sie übernehmen am 1. Juni die Leitung der Peterskapelle. Diese historisch bedeutsame Kapelle in der Innenstadt von Luzern ist seit ihrer Wiedereröffnung vor drei Jahren zu einem offenen kirchlichen Ort geworden, wo von traditioneller Spiritualität bis modernen Kunstinstallationen vieles Platz hat. Was gefällt Ihnen am Konzept, das hier umgesetzt wird?
Meinrad Furrer: Mir gefallen die offenen Türen, die von aussen zum Betreten einladen und von innen den Blick in die Stadt offenhalten. In dieser Offenheit können verschiedenste Menschen einen Ort finden, in dem sie sich willkommen fühlen. Die Offenheit steht auch für den Mut, Experimente zu wagen und damit neue Räume und Erfahrungen zu schaffen. Besonders entspricht mir der Ansatz, dass die Peterskapelle nicht in erster Linie auf Angebote setzt, sondern eine Beteiligungskirche sein möchte.
Welche Schwerpunkte möchten Sie als Leiter der Peterskapelle setzen?
Meinrad Furrer: Ich bin davon überzeugt, dass religiöse Menschen heute in erster Linie Suchende, Reisende oder Pilgernde sind. Entsprechend habe ich die Vision eines Ortes, der wie eine Herberge ist. Ich habe Ideen für Tagesgäste und Touristen, zum Bespiel mit einer spirituellen App, die zum Verweilen und Vertiefen einlädt und damit einen Besuch von Luzern auch zu einem spirituellen Erlebnis machen kann. Ich würde gern für Betriebe in der Umgebung ein Angebot machen, mit dem ihre Change-Prozesse mit spirituellen Inputs und dem Feiern von Ritualen begleitet werden. Ich kann mir gut einen Schwerpunkt im Bereich von Ritualen und Feiern an den Übergängen des Lebens vorstellen. Ansonsten ist es wichtig, dass der Raum der Peterskapelle offen bleibt für unterschiedlichste Gruppen, die in diesem für Luzern wichtigen Raum mit ihren Anliegen und Visionen wirken können. Das Team soll als Gastgeberin präsent sein. Nicht nur die Kapellenwarte sind „Gast- und Raumbetreuer“, sondern das ganze Team.
Auf was freuen Sie sich besonders in Ihrer neuen Aufgabe?
Meinrad Furrer: Ich freue mich ein motiviertes und schon erfahrenes Team zu führen und mit dem Team zusammen kreativ und mutig neue Formate und Prozesse auszuprobieren. In erster Linie freue ich mich auf Menschen und auf Begegnungen, in denen etwas von der befreienden und heilsamen Botschaft des Christentums erfahrbar wird. Ich freue mich auch darauf, einen kirchlichen Ort mit offenem Profil bespielen zu können und meine Kreativität darin zu entfalten.
In Zürich waren Sie im Projekt „Kirche urban“ tätig. Nun kommen Sie ins beschauliche Luzern. Ist das ein Kulturschock für Sie?
Meinrad Furrer: Ich habe viele Jahre in Luzern gelebt, bevor ich nach Zürich ging. Damals war dies ein bewusster Entscheid, weil ich mehr Diversität und Inspiration gesucht hatte. Ehrlich gesagt war aber jeweils nach ausgedehnten Reisen die Rückkehr nach Zürich ein ziemlicher Kulturschock. Das Tempo der Stadt, eine hohe Leistungs-, Perfektions- und Konsumbereitschaft bei vielen Menschen haben mich immer wieder irritiert. Seit einiger Zeit suche ich bewusst nach mehr Beschaulichkeit. Der „Ruf“ nach Luzern kam also auch einer inneren Bewegung entgegen. Zudem hoffe ich tatsächlich, dass die Rückkehr nach Luzern eine Art Kulturschock sein wird: nämlich ein Verlassen des Lebens, in dem ich mich in Zürich eingerichtet habe, um Dinge und Zusammenhänge neu zu erkunden und zu gestalten. Zudem erlebe ich Luzern als eine lebendige Stadt mit vielen engagierten Persönlichkeiten
Bei der Stellenbesetzung des Teams Peterskapelle vor über drei Jahren gab es Kritik, weil drei Männer angestellt wurden. Jetzt kommt wieder ein Mann in die Leitung. Wie werden Sie die Frauen in Ihre Arbeit an der Peterskapelle einbeziehen?
Meinrad Furrer: Ich schätze es sehr, dass die Kirchgemeinde Luzern die gleichwertige Beteiligung von Frauen auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens anstrebt. Dass die Peterskapelle ihren Raum auch Frauen und feministischen Anliegen zur Verfügung stellt, ist für mich selbstverständlich. Kürzlich hat fra-z in der Peterskapelle zu einem «dröhnenden Schweigen» eingeladen. Solche Initiativen begrüsse ich sehr. Ansonsten bin ich sehr gespannt, welche Menschen und Gruppen ihr Interesse an der Mitwirkung in der Peterskapelle anmelden und freue mich, wenn sich daraus ein vielfältiges Leben mit diversen Partner:innen entwickelt.
Wird die Peterskapelle künftig auch vermehrt ein Augenmerk auf jüngere Menschen richten?
Meinrad Furrer: Das werden wir sicher versuchen. Dabei ist es wichtig, nicht auf der Ebene der Angebote zu bleiben, sondern Raum zu bieten für Mitgestaltung. Das Team der Peterskapelle muss diese Einladung in geeigneter Weise kommunizieren. Dabei werden sicher Social Media eine Rolle spielen. In ihren Angeboten kann die Peterskapelle sich zudem überlegen, wie jüngere Menschen vermehrt erreicht werden können, zum Beispiel in der Auswahl der Musikstile.
Sie haben eine Gesangsausbildung und arbeiteten auch schon nebenberuflich als „Singender Störkoch“. Wird man Sie in der Peterskapelle singend und kochend antreffen?
Meinrad Furrer: Das hoffe ich doch sehr. Ich habe dazu auch Ideen. Ich liebe es, verschiedene Leidenschaften in Projekten zusammen zu bringen. Spiritualität, Räume schaffen für berührende Erfahrungen, Singen und Kochen gehören definitiv zu wichtigen Leidenschaften in meinem Leben.
Im letzten Mai hatten Sie schweizweite Medienpräsenz, als Sie in Zürich öffentlich homosexuelle Paare segneten. Offenbar scheuen Sie den kontroversen und öffentlichen Diskurs nicht. Werden Sie auch in Luzern Zeichen für eine Kirche setzen, die offen für die LGBTQ-Gemeinde ist?
Meinrad Furrer: Das werde ich auf jeden Fall. Die katholische Kirche hat gegenüber von queeren Menschen viel Schuld auf sich geladen. Aus meiner Sicht braucht es entsprechend auch viele heilsame Zeichen und eine positive öffentliche Präsenz der Kirche. Im Spätsommer gibt es in Luzern die erste Innerschweizer Pride. Vielleicht gibt es in diesem Rahmen eine erste Möglichkeit für eine Aktion. Mir geht es aber nicht darum, ein LGBTQ-Pfarramt aufzubauen oder ähnliches. Es geht grundsätzlich darum, auf die Stimmen und Erfahrungen aufmerksam zu machen, die in der Vergangenheit und zum Teil noch immer verschwiegen, unterdrückt und verurteilt wurden.