Nachlese
DAS LEERE GRAB
Von Anfang an waren Stimmen zu hören, die behaupten, Jesu Leichnam sei aus dem Grab gestohlen worden.
Während unseres Studiums hat uns unser Professor der Fundamentaltheologie immer wieder auf die Frage gestossen: „Was wäre, wenn man heute die Knochenreste Jesu finden würde? Würdet ihr dann nicht mehr an die Auferstehung glauben?“
Weil mich diese Frage nie losgelassen hat, habe ich das Buch aufgesogen: „Kein Tod auf Golgotha“ von Johannes Fried (2019). Als Historiker liest Fried die biblischen Texte als Geschichtsschreibung. Ihm fällt auf, dass Jesus nur 6 Stunden am Kreuz hing, gewöhnlich liess man die Todeskandidaten zur Abschreckung mehrere Tage dort. Diese glückliche Fügung - Dank des bevorstehenden Pasha-Festes - koppelt sich mit einem anderen Zufall: Der römische Soldat, der Jesus am Kreuz in die Seite stach, könnte Jesus damit das Leben gerettet haben. Blut und Wasser traten aus der Wunde. Das blutige Wundwasser, das zwischen Rippenfell und Lunge z.B. als Folge eines Rippenbruchs ansammelt, kann mehrere Liter betragen. Die Folge ist, dass die Lungenflügel zusammengedrückt werden und der Betroffene nicht mehr in ausreichendem Maße ausatmen kann und erstickt. Wir kennen heute so etwas bei Autounfällen. Dem Ersticken geht eine tiefe Ohnmacht voraus. Für andere wirkt es so, als sei er tot. Von schweren Verwundungen im Brustbereich bei Jesus müssen wir nach der Folter durch Pilatus ausgehen. Indem der Soldat mit der Lanze in Jesu Brust stach, konnte das Blut-Wasser-Gemisch aus der Wunde ablaufen und Jesus allmählich wieder atmen. Die „Narkosewirkung“ kann freilich noch über einen längeren Zeitraum andauern, so dass der Verletzte weiterhin wie tot wirkt. Johannes Fried spekuliert weiter: Jesus starb nicht am Kreuz. Das beweisen der Ostermorgen und die folgenden Wochen, in denen Jesus leibhaftig auftrat.
Nikodemus und Joseph von Arimathea nahmen also Jesus vom Kreuz und trugen ihn, den sie für tot hielten, zu einem Grab. Und dann?
Dort erwachte Jesus wieder zum Leben. Ihr Erschrecken muss groß gewesen sein. Auch ihnen drohten ernste Schwierigkeiten. Sie hatten nur zwei Möglichkeiten: Jesus den Römern wieder auszuliefern oder ihm zu helfen unterzutauchen. Sie entschieden sich für die zweite Möglichkeit. Jesus verließ nach drei Tagen das Grab. Dafür gibt es ja verschiedene Zeugen, an denen wir nicht zu zweifeln haben.- So dann doch Johannes Fried.
Es liest sich dann ganz anders, wenn die Frauen am Ostermorgen aufgeregt berichten: Jesus lebt! und weiter: Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten.
Wir denken an den ungläubigen Thomas, der die Möglichkeit gehabt hätte, seine Finger in Jesu Wunde an der Seite zu legen.
ERSTE CHRISTEN IN ÄGYPTEN
Bleibt die Frage: Was wurde aus Jesus, wenn er nicht in den Himmel fuhr? Was tat er, falls er vom Kreuz gerettet worden war?
Fried findet ein paar Spuren: Es gab in Ägypten eine Gruppe von Menschen, die so lebten, wie es die Ur-Christen lehrten. Auch soll Jesus zwölf Jahre in Ägypten gelebt haben.
Später erschien mit angeblich 30.000 Mann ein „Ägypter“ vor Jerusalem, um mit der Gewalt seines Wortes die Tore zu brechen und vom Ölberg herab die Stadt zu erobern. Der Statthalter Felix schickte sogleich seine Legionäre gegen die Aufrührer. Viele Tausende wurden erschlagen; doch der „Ägypter verschwand“, wie der römische Geschichtsschreiber Flavius Josephus wusste.
Als dann der Apostel Paulus nach Jerusalem kam, wurde er – so die Apostelgeschichte – gefragt: Bist du der Ägypter? Paulus wies sich als römischen Bürger aus Tarsus aus. Aber die Frage zeigt, dass „der Ägypter“ ein Christ gewesen sein musste. Danach verlaufen sich weitere Spuren im Dunklen der Geschichte. Nur Legenden blieben, wie etwa Jesus in Indien.
HIMMEL – EIN ZUSTAND KEIN ORT
Lukas ist der einzige der vier Evangelisten, der von der Himmelfahrt Jesu schreibt. Gesetzt den Fall, dass Joh. Fried mit seinen Thesen Recht hätte,- wäre dann Lukas ein Lügner?
Mit Christi Himmelfahrt beantwortet Lukas die Frage nach Abschied und Distanz:
Jesus ist Gottes Sohn. Gott selbst hat bei uns auf der Erde gelebt. Das war nicht nur eine kurze Stippvisite. Frieden soll sein, Vergebung, Gott mitten unter den Menschen. Der Himmel ist mit Jesus nicht weg.
Wenn ich bekenne: Jesus ist in den Himmel aufgefahren, dann bekenne ich damit, dass ich an einen Raum glaube, in der Gott nahe ist. Lukas beschreibt kein Spektakel: Während Jesus sie segnete, verliess er sie und wurde zum Himmel emporgehoben. Sie fielen vor ihm nieder. Sie kehrten nach Jerusalem zurück. Sie waren immer im Tempel und priesen Gott.“
Genauso wie der Himmel keine Ortsbezeichnung ist, so wenig ist „Sie waren im Tempel“ eine Ortsbezeichnung, sondern eine Beschreibung für einen Zustand, ein inneres Empfinden. In der Kirche sein meint mehr als einen Besuch in heiligen Hallen und das Feiern eines Gottesdienstes. „In der Kirche“ beschreibt eine Einstellung: Im Tempel – in der Kirche – im Himmel – das ist für mich gleichbedeutend mit: ich rechne mit Gott in meinem Leben und mit seinem Wirken. Ich träume von einer Welt, in der wir rücksichtsvoll und mit Bedacht miteinander umgehen, bestrebt, nicht Steine in den Weg zu legen, vielmehr einander zu ermutigen und zu stützen.
Wenn diese Welt im hier und jetzt schon der Himmel sein kann, warum braucht es denn dann noch einen grösseren, umfassenderen Himmel? Braucht es die Hoffnung auf ein Leben nach dem Leben hier?
Ich glaube an Gott im Himmel, dann könnte ich genauso gut sagen: Ich glaube, dass es Gott gibt. Und wenn es Gott gibt, dann tut er auch irgendwas. An Gott glauben und mit seiner Gegenwart rechnen führt mitten in die Welt. Glauben ist eine Motivation für eine Handeln und Wirken, mich einbringen in diese Welt. Denn es geht nicht nur um die paar Jährchen, die mein Leben ausmachen, sondern um Zukunft. Das Leben verlangt nach einer Hoffnung auf einen Himmel. Und der Himmel, also Gott - macht nur Sinn mit der Welt, der Schöpfung, mit uns Menschen als Gegenüber.
MITTEN INS LEBEN
Himmelfahrt ist eine Beziehungsgeschichte: Jesus ist nicht mehr sichtbar und greifbar. Wichtig ist, was von Jesus bleibt. Offenbar ist das Letzte, was er tut: Segnen! Gutes wünschen. Die Jünger wieder ins Leben zurückschicken – nach Jerusalem – d.h. in den Trubel und den Gestank der Stadt, die Querelen und Rangeleien, zu ihren Familien, an ihren Arbeitsplatz… Aber sie gehen verändert: Wenn sie an ihrem alten Platz sind, sind sie andere geworden: Äusserlich die Altbekannten, aber innerlich bei all ihrem Tun im Tempel. Das heisst, gleich was sie tun und sagen, sie wissen, dass sie gesegnet sind. Der Glaube an den Himmel im hier und jetzt lässt alles und jeden in einem anderen Licht erscheinen.
Was wäre, wenn Jesus nicht am Kreuz gestorben ist?
Sein Leben und Wirken behält seine Strahlkraft. Dass er den Weg gegangen ist am Karfreitag – da gipfelt und fokussiert sich sein Denken und Handeln, sein ganzen Vertrauen in Gott. Karfreitag heisst: Jeus stellt seinen Weg nicht in Frage, er weicht nicht zurück sondern geht den Weg zu Ende.
Ich gehe davon aus, dass er tatsächlich am Kreuz gestorben ist. und wenn nicht dort, dann später!
Wie auch immer, und es gilt so oder so: gekreuzigt - gestorben- und begraben – aufgefahren in den Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes..
Ich bin überzeugt, dass da, wo Jesus geglaubt und bekannt wird, mit ihm der Himmel auf Erde ist.
Paulus sagt: Hier auf der Welt sehen wir alles wie einen Schatten, ein Abbild von Gottes Herrlichkeit. Einmal werden wir Gott sehen und erkennen. Wir werden Gott nahe sein, wie es Jesus. Das wird dann unsere persönliche Himmelfahrt sein am Ende dieses Lebens.