Nachlese

Predigt zum 22 Sonntag im Jahreskreis C Evangelium nach (Lk 14,1.7-14)

BESCHEIDENHEIT UND VERZICHT IN SCHWIERIGEN ZEITEN

„Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr.“ - Heisst es nach Wilhelm Busch. Das ist kein vorbildhaftes Deutsch. Aber zugeben beschreibt der Satz eine Erfahrung, die viele, zu viele machen: Dass da Leute die Ellenbogen ausfahren, mögliche Kontrahenten abservieren, damit sie weiterkommen und am Ende auf der Bühne stehen und glänzen können. Nur: Leider bleiben so auch viele, zu viele auf der Strecke. Der oder die eine mag davon zwar auf den ersten Blick profitieren,

aber letzten Endes entsteht durch Egozentrismus doch Schaden, verrohen die Sitten, zerbrechen Gesellschaften, werden Menschen entzweit.

Jesu Mahnung klingt durch alle Zeiten bis heute, dass wir uns neue, seine geradezu revolutionären Regeln zu eigen zu machen, damit eben nicht das Ich gewinnt, sondern das Wir.

Ein Neugeborenes ist ganz angewiesen, umsorgt zu werden mit Nahrung, Zärtlichkeit und Zuwendung. Schnell probiert das Kleinkind und fängt an, eigene Wünsche und Bedürfnisse zu äussern: Ich habe Hunger. Ich brauche Nähe. Ich will nicht allein sein. Ich will – ich will nicht.

Gewissenhafte Eltern versuchen die Entwicklung zu steuern. Sie halten an zum Teilen. Das Kind soll lernen, dass es nicht alles haben kann, was es begehrt, dass man nicht alles besitzen kann ohne Rücksicht auf andere.

Trotz solider Erziehung sitzt in vielen die Angst, zu kurz zu kommen. Mit dieser Urangst spielen die Argumente vieler Polemiker. Was ist in diesen Zeiten der Klimaerwärmung, Inflation, Krieg, Pandemie…das richtige und angemessene Verhalten? Springen wir auf und beteiligen uns an den Hamsterkäufen für Mehl, Öl, Brennholz, Kerzen, Gas, Stromgeneratoren? Oder warten wir einfach ab, hoffend, so schlimm wird es wohl nicht werden? Oder gibt es einen neuen, besseren Weg?

URÄNGSTE SITZEN TIEF

Die Angst, zu kurz zu kommen, lässt sich nicht leicht abbauen. gehen wir zurück zum Kind: Für ein Kind ist das Ich-Sein das Selbstverständliche; das Erste; der Kern von allem Übrigen. Alles, die Wahrnehmung der Welt, bezieht sich auf dieses Ich. Ein Kind, ein Jugendlicher und auch ein Erwachsener fragt sich: Warum bin ich in diese Zeit, an diesen Ort in diese Familie geboren. ich habe mir das nicht ausgesucht. Ich bin mir selbst gegeben. das ich da bin, ist kein Entschluss von mir selber. Am Anfang meiner Existenz – nicht nur zeitlich sondern im wesentlichen Sinne – steht ein jemand, der mich mir gegeben hat: Das sind die Eltern und dahinter zuallererst Gott, der will, dass ich hier und jetzt lebe.

ERSTE UND LETZE AM FEST DES LEBENS

Das Beispiel eines Festes, das bereits Jesu aufgreift, ist auch heute direkt nachvollziehbar: Da gibt es die, die den besten Platz einnehmen, sich schon nahe ans Buffet setzen, um bei den ersten zu sein, ehe die besten Happen geplündert, unansehnlich oder vergriffen sind.

Der Spruch Jesu im Evangelium: Wer sich selbst erhöht wird erniedrigt, bei dem, der sich selbst klein einschätzt gibt es Potential zu entwickeln, zu erhöhen. Diese ist keine Zurechtweisung. Er will auch damit nicht denen eine Lektion erteilen, die sich anstrengen, sich ein gutes Leben wünschen und den einen oder anderen Wunsch erfüllen. - Wohlstand, Wohlergehen, Gesundheit, satt Brot für alle – das wäre sogar ganz im Sinne Jesu.

Jesus will mit seiner Aussage denen Mut machen, denen es schlecht geht, die vom Leben benachteiligt sind, die gar nicht erst die Möglichkeit erhalten, sich z.B. bei einem Vorstellungsgespräch ins rechte Licht zu rücken. Ihm geht ihm darum, dass den Armen zu ihrem Recht verholfen wird, dass auch sie auf eine Zukunft hoffen dürfen, die lebenswert ist.

Jean Ziegler stellt in seinem Buch über den schwarzen Kontinent mit dem Titel „Wir lassen sie verhungern“ vor 9 Jahren fest: Alle 5 Sek. verhungert ein Kind unter 10 Jahren. Hunderte Millionen Menschen hungern und tragen psychische und physische Schäden davon. Die Weltwirtschaft wäre in der Lage, heute 12 Milliarden Menschen zu ernähren –wenn nicht mehr der Profit einzelner, sondern das Wohlergehen der Menschenfamilie zum Ziel erklärt würde. Wenn alle genug haben sollen, d.h. nur schon die Grundbedürfnisse an Essen, Wasser, Wohnraum, Lebensraum gewährleistet werden soll, dann müssen die, die MEHR als genug haben, zurückstecken. Jesus tut sich in seiner Mission dementspechend nicht als redegewandter Politiker oder gar Schönredner hervor. Er fordert wiederholt die Wohlhabenden auf, abzugeben.

TEILEN IST NICHT NEU

Die Aufforderung zu teilen, d.h. nicht nur für mich, sondern für das Ganze zu denken, ist nicht neu. – Gerade in der Kirche hat sich dieses Gedankengut alle Zeiten und auch einzelnen Menschen geprägt -ich denke vor allem an den heiligen Franziskus-. Es geht um mehr, als nur vom Überfluss abzugeben. Es geht um eine Lebenshaltung, in der mir nicht allein mein eigenes Wohl, sondern genauso auch das des anderen wichtig ist. es geht um das Überleben der Menschheit und der Natur.

Die Lesung drückt das mit dem alten Wort „DEMUT“ aus. Mut zum Dienen.

D.h. wirklich füreinander da zu sein, dem anderen Lebensraum zuzugestehen und Rücksicht zu nehmen auf die Bedürfnisse des anderen.

Die Haltung der Demut wäre notwendend in der Familie, im Berufsleben, in der Politik und Wirtschaft. Wir merken ja, wie eng alles miteinander zusammenhängt.

Jesus selbst hat die Lebensart der Demut konsequent durchgehalten bis zur Fusswaschung und zum Tragen des Kreuzes.

Für andere da zu sein ist nicht eine einseitige Beziehung vom Gebenden hin zum Empfangenden. Menschen, die in ihrem Leben eher die Schattenseiten erlebt haben, finden eher den Zugang: Wir Menschen sind nicht nur die Macher.

Wir Menschen sind empfindliche, leicht verletzbare und zerstörbare Wesen,

die mit der Würde ausgestattet sind, Gottes Ebenbild zu sein.

Wenn in mir der Gedanke, etwas abgeben zu müssen, ein beängstigendes Gefühl auslöst, dann ist das ein sicheres Zeichen davon, dass ich zu den eher Reicheren zähle.

Hilfestellung kann da ein Spruch sein, den ich als Schlussgedanken ans Herz legen will:

GREIFEN UND FESTHALTEN KANN ICH SEIT DER GEBURT. TEILEN UND SCHENKEN MUSSTE ICH LERNEN. JETZT ÜBE ICH DAS LOSLASSEN.

Loslassen ist mehr als Geld und Überfluss abgeben. Es wäre gut, zu lernen, alles loszulassen, weil wir letztlich nichts für uns behalten können. Wir kommen auch gar nicht darum herum. Radikales Loslassen ist gefordert, wenn ein geliebter Mensch stirbt. Und erst recht, wenn wir unser eigenes Leben loslassen müssen.

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