Nachlese

VATER UNSER BITTE

Vielleicht ein Wort voraus: Wir hören hier in diesem Evangeliumstext nur einen Ausschnitt dessen, was wir aus dem Vater-Unser-gebet kennen. Ausführlicher ist es im Matthäus-Evangelium zu finden. Papst Franziskus hat die Übersetzung der Bitte „und führe uns nicht in Versuchung“ angemahnt. Papst Franziskus sagt: Diese Übersetzung suggeriert, dass Gott uns Menschen absichtlich Versuchungen- sprich dem Bösen aussetzt, um uns zu prüfen oder was er sich sonst immer davon verspräche. So etwas macht ein Vater nicht!

Verständlicher könnte es heissen: Und fordere uns nicht heraus, mute uns nicht zuviel zu, denn du weisst ja, wie verletzlich wir Menschen sind. „Führe uns in der Versuchung, wenn wir mitten drin stecken. Hilf uns!“ Wir haben es ja hier schon ausprobiert und erfahren, es schwierig ist, das Vater-Unser mit der Formulierung von Papst Franziskus zu beten. Wir hatten das einmal in der Fastenzeit im Frühjahr probiert und herzlich über die feste Gewohnheit lachen können, wie tief die eingeübte Formulierung sitzt.

MIT GOTT SPRECHEN

Mit Gott sprechen, so wie Abraham und Jesus, ist das Thema, das ich heute gern anschneiden will. Ob ich an Gott glaube und was ich glaube und wie ich mir Gott vorstelle, das wird hier jeder und jede ganz anders und persönlich beantworten. Das gäbe ein wunderbares Gespräch über Gott und die Welt. Wir bekennen Gott als Schöpfer, als Urgrund des Daseins, d.h. Gott war immer schon da. Vor dem Urknall war das Wort Gottes. Was das für ein Wort ist, das bleibt offen. Was denken sie, welches ist das Urwort, das solche Kraft hat, alles zu schaffen – wie es im Johannesevangelium heisst: „Am Anfang war das Wort. das Wort war bei Gott. das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“

Ist es Liebe, Beziehung, Geborgenheit, Frieden, Dasein, Leben?

Es ist richtig, dass ich Gott in der Natur begegnen kann, in der Verbundenheit mit der Erde, der Luft und allem, was mich umgibt. Es ist aber auch wahr, dass ich Gott erfahre in vollendeter zwischenmenschlicher Beziehung. Ich spüre, ich bin nicht einsam in diesem Universum, sondern aufgehoben, sinnerfüllt und glücklich das sind Erfahrungen jenseits dessen, über das wir verfügen oder aktiv herstellen können. Das sind Momente, in denen das Leben als kostbares Geschenk erscheint.

IN SCHWEREN ZEITEN

Wie aber trete ich Gott in unglücklichen Zeiten gegenüber? Wie kann ich eine Krebserkrankung annehmen, wie den Tod eines Kindes? Zu sagen, das ist Gottes Wille, ist sicher keine tröstliche Antwort. Schauen wir auch in unseren ganz alltäglichen misslungenen Begegnungen, wenn etwas gründlich schief gegangen ist, wenn ein Missverständnis nicht behoben werden konnte oder wenn die Gräben der Meinungen trennen. Wenn ich der Versuchung nicht widerstanden habe und etwas gesagt habe, was den anderen absichtlich oder gedankenlos verletzt hat; ein falsches Wort im falschen Moment oder falsch aufgefasst…Findet sich kein klärendes Wort, folgen ein quälendes Schweigen oder ein Streit. Als glaubender Mensch bleibe ich auch in dieser Zerrissenheit in der Welt aufgehoben, angenommen und gewollt – auch wenn nicht alles rundläuft. Was tröstet und in aller Trauer und in allem Schweren lebendig und handlungsfähig behält, ist der Glaube, dass ich auch im Unglück mit etwas Grösserem verbunden bleibe. Das Grössere, alles Umfassende nennen wir Gott.

AUF DU UND DU MIT GOTT

In der Lesung spricht Abraham mit Gott von Du zu Du, verhandelt, argumentiert zugunsten der Gerechten, auch wenn sie nur an zwei Händen abzuzählen wäre. Die Debatte mit Gott ist eine Form, die Sachlage auszubreiten. „Zeig mir eine Richtung! Zeig mir, wie ich das Problem lösen und mich selbst wieder ins Lot bringen kann.“ Wie von einem weisen Vater oder Mutter ist auch von Gott kein Ratschlag zu erwarten. Beten meint, ehrlich alles auf den Tisch zu legen und Gott bestenfalls um einen Wink zu bitten, bis die Lösung fast wie von selbst zufällt

BETEN IST BEZIEHUNG

Wer betet, ist nicht mehr allein. Beten bringt in Beziehung: In die Beziehung zu Gott, wieder zurück in die Beziehung mit meinem Mitmensch und zurück in Verbindung zu mir selbst - in die Erfahrung des Heil-Seins trotz und in aller Zerrissenheit und Misslingen. Martin Buber, jüdischer Gelehrter fand: Alles Leben ist Beziehung. Wer betet ist nicht allein und findet zurück zu der Grunderfahrung der Geborgenheit und des Aufgehobenseins. Beten kann auch ohne Worte auskommen, wie es Sören Kierkegard erfahren hat: „Als mein Gebet immer andächtiger und innerlicher wurde, da hatte ich immer weniger zu sagen. zuletzt wurde ich ganz still.“

BETEN MIT ODER OHNE WORTE

Wie sollen wir denn beten? Das Vater-Unser ist sicher eine grosse Hilfe, insbesondere in Situationen, in denen die Worte fehlen. Das Vorgegebene kann eine Brücke sein. Beten will gepflegt und geübt sein -am besten von Klein auf - wie ein Musikinstrument oder eine Sportart, damit man sich auch an grössere Herausforderungen heranwagen kann.

SICH ZEIT NEHMEN

Sie haben sich diese Stunde Zeit genommen. Wir beten und singen zusammen zu Gott. Es darf jetzt auch Zeit sein für das persönliche Gebet, nehmen wir uns zwei Minuten, während denen uns die Orgel begleitet.

Möchten sie ihre Hände offen oder gefaltet in den Schoss legen? Wie sprechen sie Gott an, mit welcher Anrede möchten sie das Gespräch beginnen? Wählen sie Worte oder ein Gebt, dass sie kennen. Unser Kantor, Franz Fischer, hat uns den Psalm 138 vorgetragen. Sie sind ganz frei und sprechen vor Gott einfach von ihrem Leben, ihren Plänen, Sorgen, den Freuden, ihren Befürchtungen, einfach das, was sie bewegt. Oder sie machen einfach eine Pause und geniessen das hier sein.

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