Leitwort für die Ferien
Ich sitze am Schreibtisch und frage mich, worüber ich für das Pfarreiblatt schreiben soll. Was will ich den Leserinnen und Lesern kurz vor den Sommerferien sagen? So viele Sorgen und Unsicherheiten, so viel Trauriges auf dieser Welt. Nein, davon will ich nicht schreiben. Davon hören wir jeden Tag in den Nachrichten.
Ein überraschendes Leitwort
Da kommt mir einer der bekanntesten Theologen der 70er und 80er Jahre, Henry Nouwen, in den Sinn. Trotz Erfolg und Anerkennung überfiel ihn eine tiefe Sinnkrise. Er nahm eine siebenmonatige Auszeit in einem Trappistenkloster. Dort suchte er nach einem geistlichen Leitwort, das ihm in dieser Krise weiterhelfen könnte. In seiner Bedürftigkeit bat er den Abt des Klosters um einen Rat. Dieser gab ihm ein überraschendes Meditationswort auf den Weg: «Ich bin die Herrlichkeit Gottes». Nouwen stutzte: Ich, der ich mich selbst nicht mehr verstehe, soll Herrlichkeit Gottes sein? Ich, der ich mich selbst nicht als herrlich empfinde, soll etwas ausstrahlen? Trotzdem machte er dieses Leitwort zum Mittelpunkt seines Meditierens. So kam Nouwen zur inneren Überzeugung, dass er selbst der Ort ist, den Gott sich zur Wohnung erwählt hat, und dass er Gott den Raum schaffen soll, in dem sich Seine Herrlichkeit offenbart.
Ein Funke Gottes
Liebe Pfarreifamilie, wenn ich wie Henry Nouwen glauben kann und zur inneren Gewissheit komme, dass ein Funke Gottes, sein verborgener Glanz, in mir wohnt, dann verändert sich grundlegend alles in mir: mein Verhältnis zu mir selbst, zu den Menschen und der Natur. Wenn ich mich als herrlich empfinde, dann ist es auch leichter, die Welt mit anderen Augen zu sehen, sie trotz aller Rätsel und Absurditäten schön zu finden. Ich bin kein kluger Trappistenmönch, aber ich empfehle Ihnen: nehmen Sie diesen Satz «Ich bin die Herrlichkeit Gottes» mit in den Sommer, sie werden sehen - das ist herrlich.