Kultur und Genuss im frühlingshaften Ticino

Kultur und Genuss für den Franziskanerchor.

Chorreise Franziskanerchor am 29. April 2023

 

Erwartungsvoll finden sich Sängerinnen und Sänger am Morgen beim Busparkplatz „Inseli“ ein. Dank fröhlichen und italienischen Liedern haben wir kaum bemerkt, dass wir für ein halbes Stündchen vor dem Gotthard im Stau standen.

Der erste Halt nach dem Gotthard war bei der alten Sust und Zollstelle beim Dazio Grande mit der Piottino Schlucht, welche u.a. beliebt ist bei Ornithologen. Es konnte tatsächlich noch einen in den Felsen nach Nahrung suchender Mauerläufer beobachtet werden. Wir durchwanderten den engsten Teil der Schlucht auf der alten 1994 restaurierten „Strasse der Völker“.

 

Der Dazio Grande (das Grosse Zollhaus) ist ein fester Bau aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Er liegt am oberen Eingang der Piottino Schlucht, am Südhang des Gotthards. Der Dazio war seit 1561 Urner Zollgebäude für den Transit und Warenverkehr, Pferdewechselstelle, Gasthof, Herberge und Warendepot und dies dauerte bis das Tessin im Jahr 1803 in die Eidgenossenschaft aufgenommen wurde. Dazio Grande blieb in Betrieb bis zur Einweihung der Gotthardbahn im Jahr 1882. Im Moment ist er zeitweise wieder als Hotel und Restaurant geöffnet.

 

Die Weiterfahrt auf der Hauptstrasse führte uns über Faido und die Biaschina Schlucht in die „Osteria Giornico“, wo wir mit Kaffee und Gipfeli verwöhnt wurden.

Einst schrieb Giornico Schweizer Geschichte, als im Winter 1478 ein kleines Kontingent von knapp 600 Eidgenossen das 10'000 Mann starke mailändische Heer in die Flucht schlug – mit einer List, wie die Legende rund um die Battaglia dei Sassi Grossi es will (Schlacht der grossen Steine).

 

Gestärkt ging es zu Fuss ins historische, pittoreske Zentrum von Giornico. Von dort führte uns Signora Bassetti zu den einmaligen, zwei sakralen Sehenswürdigkeiten:  „Santa Maria del Castello“ und ganz besonders das romanische Juwel „San Nicolao“. Ihre interessanten Ausführungen begleiteten uns die nächsten eineinhalb Stunden.

 

Das Castello di Santa Maria thront auf einem Hügel, den alle mühelos erklingen konnten. Die romanische Kirche steht mitten in den Ruinen der mittelalterlichen Burganlage. Dank unermüdlichem Einsatz von Silvia und Ulrike wegen eines widerspenstigen QR Code konnte das Portal der Kirche überhaupt geöffnet werden. Die digitale Knobelei hat sich sowas von gelohnt, denn es erwarteten uns wunderschöne Fresken aus dem 15. Jahrhundert. Die Aussicht vom Burgenhügel auf Giornico und in die Leventina war grandios, wobei das schöne Wetter das Seine beitrug.

 

Die Kirche San Nicolao, wurde im 12. Jahrhundert erbaut. Sie steht inmitten eines Rebbergs auf der rechten Seite des Ticino. Mit den exakt gehauenen Steinen, den Fresken im Chor aus dem 15. Jahrhundert, den einzigartigen Kapitellen in der Krypta gilt San Nicolao als eindrücklichstes Beispiel lombardischer Romanik in der Schweiz. Die Kirche ist Nikolaus von Myra geweiht.

 

Nach so viel Kultur knurrte langsam der Magen. Im „Grotto dei due Ponti“ mit traumhafter Lage am jungen Ticino erwartete uns ein feines Mittagessen alla  Ticinese. Alle genossen das typische Grotto Ambiente, flankiert von Brasato mit Polenta, Spargel-Lasagne oder einer Parmigiana mit Auberginen.

 

Der Car, umsichtig und sicher gelenkt von Gössi-Fahrer Stefan, führte uns nach Biasca, Mittelpunkt der drei Täler, Leventina, Bleniotal und Riviera. Alle Choristinnen und Choristen entschlossen sich den steilen Weg zur romanischen Kirche San Pietro e Paolo in Angriff zu nehmen. Oben angekommen konnte man eindrücklich in der heutigen Landschaft noch erahnen, welche Ausmasse der Bergsturz von 1513 gehabt hatte. Dem Dammbruch im 1515 folgte die sogenannte „Buzza di Biasca“, eine riesige Flut die in kürzester Zeit enorme Verwüstungen verursachte, bis zur Mündung in den Lago Maggiore. Die Handelsschiffahrt auf dem Fiume Ticino wurde verunmöglicht, die ganze Landschaft von Riviera und Piano di Magadino hatte sich total verändert.

Die Kirche San Pietro e Paolo wurde nach Osten gegen den Hang gebaut. Aus diesem Grund verläuft ihr Boden markant aufwärts zum Berg. Im 20. Jh. wurden die barocken Altäre entfernt und die Fresken aus der Zeit der Gotik bis Renaissance erstrahlen an den Pilastern und in der Apsis, wo ein Christus in der Mandorla, umgeben von den 4 Evangelisten mit ihren Symbolen (davon S. Marco mit Brille!) zu sehen ist.

Eine wichtige Figur in der zweiten Hälfte des 16. Jh. war San Carlo Borromeo, Erzbischof von Mailand, der in der Zeit der Gegenreformation sehr aktiv war und die Gemeinden seiner Diözese selber besuchte. Man erzählt, dass er auf Eselsrücken bis über den Gotthard ritt um seine Priester zu Moral und besseren Sitten zu ermahnen. Der Propst von Biasca, einer seiner Schützlinge, gab für die Kirche eine grosse Wandmalerei in Auftrag, die das Leben und Wirken von S. Carlo darstellt. Sie wurde vom Maler Alessandro Gorla aus Bellinzona 1620 gefertigt.

 

Zurück an der wärmenden Sonne spazierten wir entlang des von zeitgenössischen Tessiner Künstlern mit Mosaiken geschmückten Kapellen des Kreuzwegs, durch einen Kastanienhain, der im Sommer gewiss kühlender Schatten spendet. Wir gelangten zum Oratorio di Santa Petronilla, oberhalb des gleichnamigen Wasserfalls, der im Moment wieder genügend Wasser hat.

Wir konnten bis zuletzt nicht ahnen, auf welch lauschigem Plätzchen, mit flachen Felsen und zum Baden einladenden Teichen wir antreffen würden. Es blieb genügend Zeit zur Erholung und Entspannung, bis wir wieder auf sanftem Weg zur Terrasse des «al Giardinetto» zusteuerten. Dort gab es zu Trinken und (etwas staubiger) Kuchen zu essen. Wir konnten danach ohne Stau wieder nach Hause fahren und waren zufrieden mit dem geglückten und abwechslungsreichen Ausflug ins Tessin. San Pietro beglückte uns mit mildem und regenlosem Wetter.

 

Die Organisatorinnen der Reise

Isabella Frey und Grazia Wendling

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