Eine Orgelnacht, unerhört und schockierend
Freddie James, warum dürfen wir zum ersten Mal in Luzern eine Orgelnacht erleben?
Freddie James: Diese Idee besteht schon seit mehreren Jahren, wir haben ja im Sommer den Orgelspaziergang, der gut besucht ist und auf Interesse stösst. Zudem sind wir Organistinnen und Organisten meist als Einzelkämpfer unterwegs. Darum hatten wir Lust, ein gemeinsames Projekt zu verwirklichen.
Weshalb findet der Anlass in zwei Kirchen statt?
Es ist ein ökumenischer Anlass, darum findet er in der katholischen Franziskaner- und in der reformierten Lukaskirche statt. Zudem ist es spannend, die zwei wunderbaren, aber völlig unterschiedlichen Orgeln in den beiden Kirchen zu hören.
Gerade «fromm» geht es musikalisch nicht zu und her am 11. November, vielmehr heisst das Motto «unerhört». Was erwartet die Besuchenden?
Vielleicht zuerst etwas zur äusseren Form: Ab 18 Uhr gibt es im Halbstundentakt kürzere Konzerte mit verschiedenen Interpretinnen und Interpreten zu hören. Das Publikum kann sich aussuchen, welche Darbietungen es besuchen will und dazwischen auch mal eine Verpflegungspause einlegen. Die erste Hälfte des Abends findet in der Franziskaner- und die zweite in der Lukaskirche statt.
Die Idee ist, dass dadurch ein möglichst buntes Programm entsteht, weil alle Musikerinnen und Musiker mit ihren musikalischen Vorlieben ihre Aufwartung machen werden, was sehr spannend ist.
Im Programm heisst es, das Publikum solle sich überraschen, ja sogar schockieren lassen. Nichts für schwache Nerven also?
Keine Angst, es sollte für alle verkraftbar sein (lacht). Aber wir wollten die «0815»-Orgelmusik vermeiden und versuchen, die musikalischen Grenzen etwas auszuloten. Beim Orgelspaziergang im Sommer geht es thematisch – passend zur Jahreszeit – fröhlich und sommerlich zu und her.
Im November regnet es in Luzern häufig und es ist der Beginn der dunklen Jahreszeit. Entsprechend haben wir die Musik zusammengestellt. Zudem möchten wir zeigen, dass dieses Instrument, das eng mit klassischer Kirchenmusik verbunden wird, sehr vielseitig ist und noch viel mehr zu bieten hat.
Werden also vor allem schräge Töne und skurrile Klänge zu hören sein?
Nein, es hat durchaus auch zugängliche Stücke im Programm. Der Abend wird mit Saxofon und Orgel eröffnet, die Ebikoner Organistin Julia Stadelmann und die Saxophonistin Nina Stieger beispielsweise spielen Tänze eines Westschweizer Komponisten, die stark vom Jazz geprägt sind.
Aber ja, wir möchten auch «Unerhörtes» zum Besten geben. In meinem Programmteil spiele ich Musik von Ligeti, dem Pop-Avantgardisten der modernen Komposition. Sein 1962 komponiertes Stück «Volumina» für Orgel ist legendär, man wird es kaum als Orgelmusik erkennen und es gilt sogar als berüchtigt. Aber keine Bange, es besteht keine Gefahr für die Zuhörenden (lacht).
Es spielen auch Studierende der Hochschule Luzern Musik. Wie «unerhört» werden sie klingen?
Sie spielen einerseits Stücke des Komponisten Arvo Pärt, der für seine spirituelle Musik berühmt ist. Andererseits interpretieren sie Musik des Schweizer Komponisten Guy Bovet, die frech, bissig und lustig klingt. Es wird als auch hier bunt und abwechslungsreich zu und her gehen.
Wen möchten Sie mit der Orgelnacht ansprechen?
Wir haben ja bereits viele treue Besucherinnen und Besucher, ich hoffe, dass sie alle kommen und sich überraschen lassen werden. Aber natürlich ist es auch immer ein Traum von uns Kirchenmusikern, dass wir es schaffen, ein neues Publikum anzusprechen.
Die Konzerte werden auf einer Leinwand übertragen, zudem gibt es einen Barbetrieb in der Lukaskirche. Die Orgelnacht als Partyevent?
Warum nicht? Wir hoffen sehr, dass es eine gute Stimmung geben wird. Hinter der Videoübertragung steckt die Idee, dass wir Organisten ja immer «versteckt» auf einer Empore spielen, wo uns niemand sieht.
An der Orgelnacht dürfen uns alle zuschauen, wie wir die Manuale und Tasten bearbeiten. Und wer weiss: Wird der Anlass ein Erfolg, so könnte der nächste durchaus unter dem Motto «Orgelparty» lanciert werden.