Chorprojekt mit 111 Sänger:innen
Gemeinsam haben Sie in den letzten zwei Jahren fünf neue Messen geschrieben. Das hört sich nach einem kompositorischen «Dream-Team» an. Was ist Ihre Motivation?
Toni Rosenberger: Es ist der Wunsch nach neuer liturgischer Musik in verschiedenen Besetzungen – einstimmiger Gesang bis vierstimmiger Chor – unter Einbezug der mitfeiernden Gemeinde. Die versammelte Gemeinde singt Teile der Messe mit und bringt sich so aktiv in die Feier ein. Auch neue und moderne Texte, die theologisch fundiert sind, sind für mich wichtig.
Michael Zeier-Rast: Corona hat zu einer Pause geführt, und die Gottesdienste mussten anders gestaltet werden. Das war frustrierend, aber auch inspirierend. Plötzlich stand mehr Zeit zur Verfügung, die speziell Toni fürs Komponieren nutzen konnte. Da ich aus der Sicht der Eucharistiefeier, im Lichte der Botschaft des 2. Vatikanischen Konzils betrachtet, die Lateinische Messe als nicht passend finde – auch wenn viele dieser Messen musikalisch gesehen grossartig sind – drängte es sich schon fast auf, die kompositorische Dynamik von Toni mit einem entsprechenden Konzept und deutschen Texten zu verbinden. So sind diese Messen in einer sehr offenen und ungezwungenen Zusammenarbeit entstanden. Aber über aller eigenen Freude stand die Absicht, die Eucharistische Feier zu bereichern und ihr zu dienen.
Ihr neuestes Werk «Missa in Lingua Cordis» unterscheidet sich von Ihren früheren Werken. Worin besteht der Unterschied?
Rosenberger: Die neue Messe unterscheidet sich vor allem in der Sprache: die bisherigen Messen hatten einen deutschen Text. Die Missa in Lingua Cordis («Messe in der Herzenssprache») ist im Schweizer Dialekt geschrieben. Es sind keine Soloinstrumente vorgesehen, aber die Messe kann mit Gitarre, Klavier oder Orgel begleitet werden. Bei der Uraufführung mit 111 Sänger:innen wird Mathias Inauen den Gesang mit der Orgel begleiten. Wichtig ist bei dieser Messe, dass die Gemeinde Teile der Messe mitsingt. Hierfür drucken wir ein Liederheft, welches das Mitsingen ohne Vorbereitung ermöglicht.
Zeier-Rast: Wobei das Mitsingen der Gemeinde – die Verbindung von Kantor:in, Chor und Gemeinde – bei allen Messen als Konzept zu Grunde liegt.
Trotz der Sprache die verwendet wird, trägt die Messe einen lateinischen Namen. Warum?
Zeier-Rast: Das ist ein kleiner Spass, den wir uns erlauben. Die sonst üblichen Messen nach dem lateinischen Ordinarium tragen in der Regel im Original Lateinische Namen. Da wollten wir nicht hintanstehen, obschon alle Messen in deutscher Sprache sind.
Greifen der Text Ihrer sechsten Messe auch das Patrozinium der Pfarrei oder das Jubiläum «111 Jahre Pfarrei St. Paul» auf?
Rosenberger: Die Missa in Lingua Cordis ist für die Zeit im Jahreskreis gedacht und hat keinen Bezug zu einem bestimmten Fest. So kann sie in vielen Feiern verwendet werden. Den «roten Faden» bildet der Psalm 104, welcher die Schöpfungsthematik aufnimmt.
Zeier-Rast: Am Anfang gab es den Gedanken, eine Messe zu Paulus zu schreiben. Wir haben diesen aus verschiedenen Gründen verworfen, auch weil es für den Gottesdienst zu einschränkend geworden wäre. So kann die Messe im Kirchenjahr frei eingesetzt werden. Aus diesem Grund auch die einfache, instrumentale Begleitmöglichkeit.
Ihr Ziel war es, 111 Sänger:innen für die Aufführungen zu finden. Ist dies gelungen?
Rosenberger: Das Projekt stösst auf grosses Interesse. Neben dem Paulus-Chor beteiligen sich auch der Chor St. Anton-St. Michael, der Einklangchor aus Kriens und zahlreiche Gastsänger:innen. Die meisten von ihnen sind erfahrene Chorsänger:innen. Mit einer Altersspanne der Teilnehmenden von 10 bis 96 Jahren kann man sogar von einem Mehrgenerationenprojekt sprechen.
Gibt es schon Pläne für ein nächstes Projekt?
Rosenberger: Unsere Messen lösen viel Freude und Begeisterung aus. Dies bereitet auch uns grosse Freude. Die Ideen gehen uns nicht aus. Konkret ist zwar noch nichts geplant, aber wenn es uns packt, könnte das eine oder andere entstehen. Ich wünsche mir eine Messe für Kinder. Auch ein Requiem würde ich gerne schreiben.
Zeier-Rast: Grundsätzlich steht dem nichts im Wege. Für mich ist es einfach wichtig, dass ich ein stimmiges Konzept für eine Messe schaffen kann und die entsprechenden Texte dazu. Mich persönlich interessiert z.B. ein Konzept für sonntägliche Wortgottesdienste mit oder ohne Kommunionfeier. Dieser Liturgische Form wird konzeptionell im Zusammenhang mit Musik und dem Mitfeiern der Gemeinde wie auch der Stimmigkeit, meines Erachtens, noch viel zu wenig Beachtung geschenkt.